ZUKUNFTSWERKSTATT | Nr. 12 | 21.10.2021

Zukunftsmusik?
 
In der Corona-Phase sind zahlreiche CD-Produktionen erschienen, alleine im Sommer 2021 waren es vier. Allesamt von bekannten und etablierten Interpreten aus der Region. Auf Seiten der jungen Bands und Interpreten ist es dagegen seit einiger Zeit sehr still geworden. Wie steht es aktuell also mit der Musik, die in der Zukunft gehört, geschätzt und gekauft werden soll? Was heute veröffentlicht wird, gehört automatisch zu morgen. Zumindest potenziell, denn eine tatsächliche Nachfrage muss sich ja erst noch einstellen. Wer sind also die vier CD-Veröffentlicher bzw. was für Produkte sind veröffentlicht worden und wie sieht's mit deren Zukunftspotenzial aus? Sprechen wir von Vergangenheits-, Gegenwarts- oder Zukunftsmusik?

Ebi & Carola Rink: Weihnachtslichter
 
Definitiv in der (nahen) Zukunft angesiedelt ist die im Mai aufgenommene Weihnachts-CD "Weihnachtslichter" mit und von Carola & Eberhard "Ebi" Rink aus Bergneustadt nebst ihren erwachsenen Töchtern Fabienne und Isabella. Erfreulicherweise muss man keine der weihnachtstypischen Familien-CDs befürchten, sondern man spürt jedem der 16 (!) Songs ab, dass hier profilierte Künstler kreativ am Werk sind. Mit der innen und außen komplett selbst erstellten und im Eigenverlag veröffentlichten CD "Weihnachtslichter" präsentiert sich diese der Rink-Familien in Bestform. Zwei Drittel der Songs deutschsprachig, ein Drittel englischsprachig ist eine bewährt gute Mischung und neben Vertonungen von Texten von Steve Volke und Eckart zur Nieden findet sich auch der von Ebi Rink getextete und komponierte neue Song "Are you still waiting for Christmas". Wenn Ebi Rink arrangiert und die Tasten bedient, dann stimmt das Instrumentale bis aufs sprichwörtliche i-Tüpfelchen und Martin Moro an der Gitarre ist ebenfalls immer ein Genuss. Zwar kurz, aber trotzdem erwähnenswert die Beiträge von Ingo Beckmann, Emma Ley und dem Chor Living Gospel Schalksmühle. Mit vielen Arrangement-Ideen und einer großen Liebe zu Details wird den Zuhörern hier Advent und Weihnachten musikalisch frisch nahe gebracht. Ja, das wird man auch in der Zukunft sehr gerne hören wollen und können. Man kann offensichtlich auch aus Weihnachten noch was machen… [www.rink-music-shop.de]

Alex Weiss: how?
 
Ausgesprochen persönliche Töne bietet die CD "how?" des Obersetzener Gitarristen und Singer/Songwriters Alex Weiß, die er im Eigenverlag veröffentlicht hat. Begleitet von Steve Hild, Christian Reh, Matthias Gräb und Moritz Mann an den Instrumenten und Anni Gräb, Tanja Weiß und Roland Nöh am Gesang entfaltet Alex Weiß zehn Songs mit eigenem Profil, allesamt interessant arrangiert und im positivsten Sinne des Wortes "solide" eingespielt und eingesungen. Ein professionelles und anhörenswertes Gesamtergebnis. Hier bringt jemand seine eigenen Gedanken in Form und Ton und verzichtet auf Antworten, die den Fragen nicht gerecht werden können. Das Werk ist autobiographisch und trotzdem auf Gegenwart und Zukunft ausgerichtet. "Diese" Musik ist definitiv zeitlos, aber wie es um die Menge der Zuhörer und Käufer dieses Musikstils bestellt ist, wird sich zeigen. Es müsste mehr solcher Musiker geben, die "ihr Ding" machen und sich die Freiheit nehmen, ihre eigenen Gedanken in Songs zu packen. Das war einmal eine gute "Tradition" im Siegerland, aber das Songwriting ist ziemlich in Vergessenheit geraten. Man sollte wieder mehr zur Akustikgitarre greifen und den Melodien, Stimmungen und Gedanken freien Raum lassen. Das könnte tatsächlich inspirierend sein und zu Liedern führen, die im besten Sinne des Wortes "ansprechend" sind! [www.facebook.com/alexweiss.siegen]
 
Discover: steady on

Frische Musik aus der Vergangenheit präsentiert die Gesangsformation Discover aus Eschenburg. "Steady on" enthält sechs Songs der schwedischen Gesangsformation MaJoy und sieben Songs des amerikanischen Damen-Vokaltrios Point of Grace. Die "Originale" sind noch und wieder musikalisch aktiv und selbst wenn die CD eher Songs aus den früheren Schaffensperioden der beiden Formationen präsentiert, muss sich das "Covern" an Vergangenheit und Gegenwart messen lassen. "Steady on" kann sich auch bei einer vergleichenden Betrachtung auffallend gut behaupten. Discover sind Katrin Steiner, Elisabeth Georg, Judith Grisse, Alexandra Schulz (alle Gesang) und Ben Schulz am Piano, die im Studio und live von Markus Grisse und Sören Geil an Drums und Bass begleitet werden. Man kann die Interpretation der 13 englischsprachigen Songs als gelungen bezeichnen, wobei den Arrangements der MaJoy-Titel sicherlich die tragende eine Männerstimme fehlt. Trotzdem muss man "I've found the way" und "Kyrie Eleison" in der Discover-Version einfach mal das Ohr schenken. Das klingt, das lebt - so muss handgemachte Musik sein! Guter Gesang und gute Gesangsarrangements werden auch in Zukunft Zuhörer finden und die(se) Songs gehören keineswegs in die Vergangenheit und in die Regale oder Schubladen. Alle diese Songs können jederzeit erklingen wenn irgendwo ein Klavier herumsteht… [www.discover-live.de]
 
Jordan Wells Band: Final Gate

Die Randgruppen sind stets das Ziel der Jordan Wells Band aus Meiswinkel gewesen, insbesondere die Zielgruppe auf zwei Rädern mit viel PS und Chrom. Man könnte den Musikstil Südstaaten-Rock nennen, erdige handgemachte Rock-Musik ist es auf jeden Fall und die Botschaft der 12 englischsprachigen Songs ist ebenso geerdet wie fromm. "Final Gate" heißt das aktuelle Werk und Ulrich Metzger, David Barth, Thomas Varnholt, Steve Karnath, Thilo Kläs und Hubertus Klein sind die Band, die auf ihr nicht-digitales Aufnahmeverfahren allergrößten Wert legt. Kräftig gespielte und und gut klingende Drums, Gitarren und Gitarrensounds ohne Ende, Hammond-Orgel, ein rauchiger Lead-Gesang und hier und da der markante Background-Gesang von Eileen Dittberner und Lynn Rein machen "Final Gate" zu einer Besonderheit in der Gegend und im Umkreis. Das gibt's nicht noch einmal und man sollte das eigentlich unter Naturschutz bzw. Artenschutz stellen, damit auch nachfolgende Generationen noch eine Idee davon bekommen können, wie erdig und "dreckig" Musik sein kann und darf. Nur der Titelsong trägt endzeitliche Züge, alles andere ist so, wie Siegerländer Texte eben auch sein dürfen, durch und durch fromm. [www.jordan-wells-band.de]

Und was ist von all dem nun Zukunftmusik oder nicht? Die vier CDs haben erkennbar nicht den Anspruch, "neue Musik" zu bieten, was seine Entsprechung im Lebensalter der Interpreten hat. Man hätte es sich anders gewünscht, aber aktuell gibt es keine neue CD oder Song-Kompilation, die aus der Feder junger Leute stammt und deren "Anklang" man vergleichenderweise heranziehen könnte. Aber auch so "wie geliefert" haben die hier vorgestellten vier CDs das Potenzial, in der Zukunft ihre eigenen Akzente setzen zu können. Jede dieser CDs hat ihr eigenes Profil - und genau das braucht Musikschaffen. Ohne eigenständiges Profil wird nichts Anklang finden und wird sich nichts verkaufen. Wo und wie diese CDs ihren Platz finden werden, wird sich im Laufe der Zeit zeigen. Schon heute können sie jedoch schon als Anregung dienen, der Musik einen eigenen Charakter zu geben und sich damit auf den Weg zu den Zuhörern zu machen. Musikschaffen muss "erkennbar" sein, die Erinnerung an ein Lied, ein Album oder ein Konzert muss zu einem Ergebnis, zu einem Namen führen. Nur wo dies geschieht, wird das Schreiben und Vortragen von Liedern Zukunft haben.
 
Hans-Martin Wahler



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