ZUKUNFTSWERKSTATT | Nr. 7 | 25.03.2021

Corona - das Ende der Chorarbeit?
Ein Mutmach-Brief von Martin Bartelworth, veröffentlicht in "Unsere Kirche", Ausgabe 21.02.2021
 
„Corona lässt die Chöre verstummen“. Diese oder ähnliche Schlagzeilen waren zu lesen. Und es ist ja auch so: Nähe, Gemeinschaft, Chorgesang – das, was uns sonst Kraft für den Alltag gibt, ist durch ein Virus zur Gefahr geworden. Deshalb ist seit Monaten vielerorts die Chorarbeit auf null gestellt. Da fragen wir uns schon: Wie wird das werden? In unserer Blitzumfrage gehen 45% von 208 Tagungsteilnehmenden davon aus, dass ihre Chöre nach Corona weniger Mitglieder haben werden. Vernichtet also Corona die Chorarbeit? Ich behaupte NEIN und gehe noch weiter: Die derzeitige Situation kann uns sogar noch nützen, denn in jeder Krise steckt auch eine Chance. Auch eine Chance für Deine Chorarbeit. Warum ich das glaube? Dafür gibt es mindestens vier Gründe.
 
1. Krisen können helfen
 
So schmerzhaft Krisen auch sind, und es gibt nun wirklich an vielen Stellen nichts Gutes zu berichten, und so sehr sie uns auch aus der Bahn werfen können: in Krisen verbergen sich oftmals ungeahnte Möglichkeiten, die unser Leben zum Positiven verändern können. Das habe ich selbst in meinem Leben auch schon so erlebt und erlebe ich nun wieder. Erfahrungsgebunden gilt daher der steile Satz: In jeder Krise steckt auch eine Chance. Diese zu finden ist allerdings nicht immer einfach.
 
Was wir nicht machen sollten: es ist falsch, gegen die Krise anzuarbeiten. Was uns jetzt hilft ist, die Situation zu akzeptieren. Es hilft „ja“ zu sagen. „Ja“, wir stecken in einer Krise und „ja“ vieles ist auch schlimm! Dabei bleiben wir aber nicht stehen. Wir spüren und sehen Möglichkeiten. Chancen auf eine bessere Zukunft. Neue Möglichkeiten zu entdecken und zu nutzen. Das gilt auch für Deine Chorarbeit. Du hast Zeit darüber nachzudenken: Was möchte ich mit meinem Chor zukünftig erreichen, welche neuen Wege können und wollen wir gehen? Wo werden wir in zwei Jahren sein? Welches Bild entsteht da? Wie kann ich in zwei Jahren am besten das tun, was ich liebe? Und wie schauen wir dann zurück auf die Coronazeit? Die Krise kann Dir helfen, einen neuen Weg zu finden.
 
2. An Corona stirbt nicht der Gesang
 
Die Pop-Hymne: „Music is my first love, and it´ll be my the last, music of the future and music of the past“ bringt es auf den Punkt.  Das, was John Miles da in seinem Jahrhundertlied besingt, nennt man ein Axiom, eine gültige Wahrheit, die keines Beweises bedarf, weil wir es eh wissen. Alle Welt ist Klang. Alle Welt singt sich durch die Geschichte der Menschheit. Im Mutterleib hören wir schon Melodien und selbst wenn uns am Ende der Tage hier auf Erden die eigene Sprache und das eigene Gehirn fremd wird, so hören wir noch die Musik, den Gesang, den Klang der Ewigkeit.
 
Auch in der Bibel finden wir diese Hinweise. Vor 3.000 Jahren entsteht ein die Aufforderung in Psalm 98,1 „Singt dem Herrn ein neues Lied….!“ Und die Geschichte zeigt uns, dass weder Pest noch Krieg und selbst wenn die Widrigkeiten über Jahre und Jahrzehnte dauern und wüten, den Gesang und auch den Chorgesang nicht kaputt bekommt. Nein, an Corona stirbt nicht der Chorgesang. Singen ist in der DNA des Menschen angelegt. Das bleibt!
 
3. Wir leiden an der Einsamkeit
 
Wir befinden uns in einer gesellschaftlichen Tiefenkrise. Das sagen uns die Zukunftsforscher und wir spüren es auch: nahezu alle Bereiche des gesellschaftlichen und privaten Lebens ist davon getroffen. Warum kann uns die Krise sogar noch nützen, wie ich behaupte? Weil wir entsetzlich unter der Einsamkeit leiden. Noch nie im Leben haben wir das so gespürt, wie jetzt. Noch nie war Gemeinschaft so wertvoll wie heute. Ein Chor lebt von Gemeinschaft. Chorleitende sind Experten für Gemeinschaft. Auch deshalb ist Chorleitung genauso herausfordernd wie wunderschön. Eine Dimension in dem das ICH über sich hinauswachsen kann. Der Chor ist ein Kraftraum für Vergemeinschaftung. Sollte das nicht in dem Land der „Nachcoronazeit“ für Menschen äußerst attraktiv sein?
 
4. Wir liegen im Trend des Zeitgeistes
 
Scheinbar ist es anders. Wir leben im Zeitalter des „ICH“. Passt da das „WIR“ eines Chores? Im Zeitalter des ICH steht das, was mir nützt, im Mittelpunkt. Und ich stelle mir den optimalen Cocktail für ein glückliches Leben zusammen. Dieser scheinbar wählbaren Freiheit steht das schreckliche Diktat der Selbstoptimierung. Heute schon Kalorien gezählt? Die „Foodbalance“ richtig justiert und deine Moves getract? Mit dem Zeitgeist ist es wie mit einer Krise, es nützt nichts, dagegen anzuarbeiten. Man kann die Umstände, in denen wir nun mal leben, nicht ändern. Wir können uns aber die Umstände zunutze machen. Ist es denn nicht so, dass Singen im Chor gesund ist? Singen trainiert deine Resilienz, also deine Widerstandskraft, dein Immunsystem, deine Stimme, das Atmen und macht Dich glücklich? Der Chor ist Deine „Muckibude“ für einen widerstandsfähigen Körper und das Fitnesscenter für die Seele. Das müssen wir den Menschen nach der Pandemie sagen, damit sie den Weg in unsere Chöre finden.
 
Corona - das Ende der Chorarbeit?
 
Nein. Aber ohne Dich wird es nicht gehen. Jeder von uns steht immer wieder vor der Weichenstellung zwischen Resignation und Aufbruch. Unterschätze das nicht: Deine innere Zukunft schafft die äußere. Wir sind auf dem Weg in das neue „Nachcoronaland“. Du kannst die Zeit jetzt nutzen. Wenn du Dich jetzt bewegst wird etwas passieren - aber nichts passiert, bis Du Dich bewegst!
 
Ja, Chöre werden Mitglieder verlieren und mancher Chor wird sich auflösen. Es werden aber die Chöre sein, denen vorher schon die Perspektive fehlte. Das große Chorsterben fällt aus. Übrigens: nur zwei bis drei Prozent der Bundesbürger sind in einem Chor organisiert, aber 30 % singen gerne! Kann es nicht auch zum Boom kommen, wenn wir die richtige Ansprache und die richtigen Angebote wählen, um Menschen Brücken zum Singen zu bauen? 
 
Noch einmal gehen wir 3.000 Jahre zurück: „Singt dem Herrn ein neues Lied“, die Aufforderung nennt dafür einen guten Grund: „… denn ER tut Wunder!“ Vielleicht auch das Wunder, gestärkt aus einer hässlichen Krise hervorzugehen. Ich bin voller Hoffnung, dass die Revitalisierung und der Neustart der Chorarbeit gelingen. Halten wir gemeinsam danach Ausschau.
 
Martin Bartelworth



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